Reitkunst und Tanz

Grisone schreibt in seiner Vorrede: Es gab schon eine Zeit, als in einer Stadt im Königreich Neapel, Sibari genannt, nicht nur die Menschen sondern auch die Pferde nach dem Klang von Musik das Tanzen lernten.

Mit Tanz in seiner zeitgemäßen, d.h. weitgehend choreografisch arangierten Form waren die Ausübenden der Reitkunst ebenso vertraut wie sie in der Regel ein Musikinstrument spielen konnten. Wie mit dem musikalischen Bereich gibt es auch zwischen Tanz und Reitkunst zahlreiche sich überschneidende Begriffe.
Die ersten Lehrbücher über das Tanzen erscheinen in der Mitte des 16. Jahrhunderts nahezu zeitgleich mit den ersten Veröffentlichungen über das Reiten. Man nutzte die verbesserten und verbilligten Druckmöglichkeiten.

Die wichtigsten Quellen sind neben vielen anderen die
Orchesographie von Thoinot Arbeau (Lengres 1589) und
Nuove inventioni di balli von Cesare Negri (Milano 1602)
In beiden Betätigungsfeldern tauchen gleichlautende Begriffe auf: Capriola, ciambetta, Contratempo, Corvetta, Galliarda, Posada, Volta und Sarabande.

Die Lektion Sarabande beschreibt Guérinière als kunstvolle aber zu seiner Zeit schon vergessene Lektion :
In der Sarabanda in Courbetten macht man zwei Courbetten vorwärts, eben so viele zurück, zwei rechts und zwei links zur Seite und so ohne unterschied nacheinander fort vorwärts seitwärts und zurück ohne das man wie in den Courbetten im Kreuz ein Ebenmass des Bodens beachtet.

Die Sarabande ist im Spanien des 16.Jahrhunderts ein vermutlich aus Mexico stammender, wilder, ausgelassener Tanz der bei Androhung von Strafen wegen Ausschweifungen, die dabei auftraten, verboten wurde. Im 17. Jahrhundert wandelt sich die Sarabande zu einem sehr langsamen, höfischen Schreittanz im Dreiertakt und wurde auch im 18.Jahrhundert noch häufig in Instrumental-Suiten zwischen Courante und Gigue eingeschoben.
Die Galliarde gab den Tänzern die Möglichkeit, ihre Sportlichkeit und Erfindungsgabe zur Schau zu stellen. Es gab Unmengen von Sprung- und Drehelementen, die einer guten Kondition und Ausbildung bedurften, um sie längere Zeit ausführen zu können. Ein Element ist die Capriole, wie in der Reikunst ein möglichst hoher und kunstvoller Sprung der auf dem vierten Schlag des 6/2 Taktes ausgeführt wurde. Der folgende Ausschnitt aus Arbeau Orchesographie zeig, wie Noten und Tanzschritte einander zugeordnet werden.
Zur Hochzeit von Leopold I mit der spanischen Infantin Margherita wurde ein gigantisches Pferdeballett aufgeführt. In dem ausführlichen Bericht darüber, der jede einzelne Figur in einem Kupferstich festhält wird deutlich, wie genau die Vorführung choreographiert wurden. Der beschreibende Text macht deutlich, dass eine große Anzahl von bestausgebildeten Schulpferden und Reitern zur Verfügung stand, von denen alle Schulen auf und über der Erde gezeigt wurden.
Derartige Veranstaltungen fanden an allen europäischen Fürstenhöfen statt, wenn auch nie wieder in dieser Größe. Es existieren viele gedruckte Berichte über diese Ereignisse, da sie sehr zum guten Ruf einer Hofhaltung beitrugen.
Ein Fest anlässlich einer Fürstenhochzeit, das oft mehrere Tage dauerte, umfasste neben Pferdeballetten Umzüge, Turniere, die Kampfhandlungen nachstellten, und Theateraufführungen mit Musikintermedien Tanzeinlagen. Dabei wurde ein unglaublich großer Aufwand für Dekorationen und Kostüme getrieben. Große Triumpfbögen wurden errichtet, gewaltige Festwagen wurden durch die Straßen gezogen, manchmal die Festplätze unter Wasser gesetzt, um Schiffe bewegen zu können. In der Regel war ein mythologischer Text mit Bezügen auf das Brautpaar der Rahmen für das Geschehen.
Die immensen Kosten belasteten die Staatskassen oft noch über Jahre. Die häufige Einbindung von Pferden in den Festverlauf ist ein weiterer Beweis für das hohe Niveau der Reitkunst in Renaissance und Barock. Wer einmal in einer Quadrille geritten hat weiß, wie mühsam schon einfache Figuren zu erarbeiten sind. Die Reiter, immer Angehörige der Oberschicht und oft auch der Regent selbst, müssen einen großen Teil ihrer Zeit der Reitkunst gewidmet haben.
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